Harry war ein junger Mann aus Diemelstadt, der sich durch die Empfehlung seines Onkels Karl-Friedrich auf den Weg in die große Stadt machte, um dort die Ausbildung zum Fernmeldetechniker zu absolvieren.
Fern der Heimat, ganz auf sich allein gestellt stand Harry mit 14 Jahren in Hagen. Ohne Familie kam er sich ziemlich einsam vor. 14-tägig ging es mit dem Zug in die Heimat. Dann kam er mit einem leckeren Carepaket voller Kuchen, Wurst und Brot nach Hagen zurück. Das war dann immer ein Fest, denn die Kumpels von Harry hatten daran teil. Die Lehre wurde mit Bravour abgeschlossen.
Harry blieb in Hagen, denn jetzt hatte er hier Arbeit, lernte seine spätere Frau kennen und lieben. Sein Sohn David kam zur Welt. Ins Sauerland ging es immer noch um die Familie zu besuchen.
Harry war ein fleißiger, zuverlässiger Mitarbeiter und landete in der Truppe Fernmeldetechnik Rundfunk. Sein Herz ging auf bei seinen Zeichnungen der Funktürme. Harry liebte diesen Job und wurde Mädchen für alles. Er organisierte die Büroarbeit, zeichnete für die Kollegen die Projekte und hatte ein großes Herz für jeden. Der Zusammenhalt war schon besonders. Harrys Geburtstagsfrühstücke waren immer eine Schlacht am kalten Buffet.
Er setzte sich immer für seine Kollegen ein. Er wurde Vertrauensmann und vertrat die Interessen seiner Abteilung. Er engagierte sich, fuhr zu Betriebsratsversammlungen, zu Treffen der Vertrauensleute und war immer über aktuelle Themen auf dem laufenden. Sein langjähriger Chef ging in den Ruhestand. Damit begann ein Wechsel, denn der neue Chef saß in Bonn und war nicht mehr direkt im Geschehen vor Ort involviert.
Die Abteilung Fernmeldetechnik wurde ausgegliedert. Durch Zielvereinbarungen wurde der Lohn immer leistungsorientierter. Die jungen Kollegen gingen nach und nach andere Wege und in andere Firmen. Die Fernmeldetechnik Rundfunk wurde aufgekauft. Der neue französische Firmeninhaber schaute nur noch auf die Ergebnisse.
Oft ging Harry nur noch lustlos arbeiten. Nichts vom früheren Ablauf funktionierte wie bisher. Die Arbeit verlor immer mehr an Reiz. Da die meisten Kollegen früher bei der Post bzw. der Telekom beschäftigt waren, konnten die Beamten wieder dorthin zurückkehren. Viele Kollegen taten das auch.
Es ergab sich, dass Harry in der glücklichen Situation war, Altersteilzeit in Anspruch zu nehmen. Gesagt, getan, Harry sicherte durch seinen Einstieg in die Altersteilzeit einem jungen Kollegen den Arbeitsplatz. Er war enttäuscht, dass keiner seiner jungen Kollegen in die Vertrauensarbeit gehen wollte, damit die Rechte der Kollegen weiterhin vertreten werden.
Mit der Freistellungsphase in der Altersteilzeit begann für Harry ein neuer Lebensabschnitt, der ihm jedoch wesentlich mehr zu schaffen machte, als er sich eingestehen wollte. Von jetzt auf gleich war er
- ohne Arbeit
- niemand brauchte ihn mehr
- sein Tagesablauf kam durcheinander
- sein ganzes Leben stand plötzlich auf dem Kopf
- alles fiel auseinander
Im freien Fall ging es in den Keller der Gefühle. Alles, worüber Harry sich definiert hat, war weg. Er stand vor dem Scherbenhaufen seines Lebens. 2 Freunde hatte Harry. Doch die konnten ihm auch nicht helfen. Harry saß erst mal Monate im Loch der Mutlosigkeit. Nichts drang in seine Welt der Depression. Für Außenstehende machte er den Clown, doch wie es innerlich aussah, zeigte er nicht.
Harry gehört auf die Bühne. Das ist sein Leben, ihm fehlt der Mut er selbst zu sein. Er gesteht es sich nicht ein, doch zu jeder sich ihm bietenden Gelegenheit nimmt er sich die Bühne, um gesehen zu werden.
Die Moral von der Geschicht:
Warte bis zur Rente nicht, sonst bist Du ein armer Wicht.
💜lich Jutta
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